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Newsletter Neo-Zen - lebendiger Buddhismus
Liebe Freunde des Zen,
es war im Sommer 2016, als ich in Kiew war. Ich habe eine schöne, lebendige Stadt voller freundlicher Menschen gesehen. Kaum vorstellbar für mich, dass dort, wo ich mich so wohl gefühlt habe, jetzt Granaten einschlagen, Sirenen ertönen und die Leute in den U-Bahn-Schächten ihre Tage und Nächte verbringen. Wenn ich wieder nach Kiew komme, sieht die Stadt dann aus wie Dresden 1945?
Am Ende des Textes findet ihr ein paar Fotos vom Sommer 2016 aus Kiew.
Gassho
Detlef B. Fischer
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Krieg kennt nur Verlierer
„Wenn wir bedenken, was ein Krieg an Menschen, Geld und Kräften jeder Art verbraucht; wenn wir ferner bedenken, bis zu welcher Erschöpfung auch der glücklichste Krieg einen Staat bringt; und wenn wir endlich diesen Schaden mit den Vorteilen vergleichen, die der Staat aus dem Kriege zieht, so werden wir immer finden, dass er oft verliert, wenn er zu gewinnen glaubt; und dass der Sieger, der nach dem Kriege immer schwächer ist als vor dem Kriege, nur den Trost hat, den Besiegten mehr geschwächt zu haben als sich selber.
Dieser Vorteil ist indessen nicht so groß als es scheint; denn hat man die Überlegenheit, die man über einen Gegner davongetragen, gleichzeitig gegenüber den neutralen Mächten verloren, die ohne Änderung ihrer Lage sich an unserer Schwächung stärkten.
Nun weiß man sehr wohl, dass durch die Art und Weise, wie der Krieg heute geführt wird, die geringste vor sich gehende Entvölkerung diejenige ist, die sich in den Armeen vollzieht.
Gewiss ist das der augenscheinlichste und fühlbare Verlust, aber es entsteht zur selben Zeit im ganzen Staat ein schwererer und unverbesserlicherer Verlust als derjenige der sterbenden Soldaten, nämlich durch diejenigen, die nicht geboren werden, durch die Erhöhung der Abgaben, durch die Störung des Handels, durch das Brachliegen der Felder und durch die Vernachlässigung der Landwirtschaft.
Dieses Übel, das man zuerst nicht bemerkt, macht sich in der Folge grausam fühlbar; und dann ist man erstaunt, so schwach anstatt mächtig geworden zu sein.“
Dieser Text ist, man mag es kaum glauben, vor circa 300 Jahren von dem französischen Humanisten Abbé de Saint-Pierre (1658-1743) geschrieben worden. Wir sehen, dass sich Sinn, Unsinn und Folgen des Krieges in diesem langen Zeitraum nicht wesentlich verändert haben. Alles, was Saint-Pierre schreibt, trifft auf den aktuellen Krieg in der Ukraine zu und wird sich in der gleichen Weise bewahrheiten.
Die heutigen Waffen sind ganz andere, aber der Geist der Kriegstreiber ist noch derselbe. Sie haben sich in Illusionen und Phantasien verfangen und sie operieren mit Unterdrückung, Lügen und Täuschung um ihre fragwürdigen Ziele zu erreichen. Wenn wir über Täuschung sprechen, dann berühren wir auch grundlegende buddhistische Einsichten, denn Dukkha (Leiden) entsteht aus Maya (Täuschung). Wie geht das vor sich? Maya beinhaltet alle unsere begrifflichen Abstraktionen und stellt die Bemühungen unseres Geistes dar, unsere Erfahrungen und unser Denken in ein System fester Kategorien einzupassen. Die Welt wird auf diese Weise in Schubladen eingeteilt, in voneinander abgetrennte und deutlich unterschiedene Gegenstände. In dieser Geistesverfassung laufen die Menschen Gefahr, abstrakten Idealen nachzulaufen und sich dem Versuch hinzugeben, ihre vergänglichen Wünsche und Sehnsüchte zu befriedigen. Aber alle Wünsche und Sehnsüchte, natürlich auch die von persönlichem Ruhm und nationaler Größe, entstammen einer grundlegenden Täuschung. Sie können nie befriedigt werden und erzeugen Leiden. Maya bedeutet nichts anderes als das Gefangensein im Dualismus. Wirkliches Glück kann, so denken Hindus und Buddhisten gleichermaßen, nicht auf dem Wege der Wunscherfüllung gefunden werden, sondern wird nur in „Moksha“, der Befreiung vom Dualismus, erreicht.
Diejenigen, die Moksha erlangt haben und über dualistisches Denken hinausgewachsen sind, werden „Jivanmukta“ genannt: zu Lebzeiten Befreite. Solche Idealmenschen agieren natürlich nicht im Felde der Weltpolitik. Alle Politiker sind im Dualismus gefangen, westliche wie östliche, nördliche wie südliche, darüber soll man sich keine Illusionen machen; aber in demokratischen Staaten gibt es Mechanismen, Macht zu kontrollieren und zu begrenzen. In Diktaturen existieren solche Mechanismen nicht und es hängt von der „Qualität“ der Diktatoren ab, zu was sie bereit sind und wie weit sie in Konflikten gehen. Im Hinblick auf den gegenwärtigen Krieg sieht es daher nicht gut für die Ukrainer aus, denn der russische Präsident und seine Bauchredner scheinen zu allem bereit zu sein, um am Ende als große Sieger dazustehen.
Viel können wir nicht tun, um das Leiden in der Ukraine zu beenden, das, denke ich, wissen wir alle. Aber wir können unseren Geist auf Frieden ausrichten, weiter auf unserem spirituellen Weg gehen und uns nicht entmutigen lassen von schlechten Nachrichten. In all den Kriegen und Katastrophen, die die Welt schon erlebt hat, haben Buddhisten immer darauf geachtet, dass das Licht der Nicht-Zweiheit nicht erlischt. So wie es bei den Urmenschen immer einen Hüter des Feuers gab, der dafür verantwortlich war, eine Feuersglut zu hüten, so ist es vielleicht unsere Aufgabe, Moksha lebendig zu halten.
Detlef B. Fischer
(Bild Kiew 2016 1/4)
(Bild Kiew 2016 2/4)
(Bild Kiew 2016 3/4)
(Bild Kiew 2016 4/4)
(Bild Zendo)
Zazen im Dojo Aegidiistraße 61/62
Die Zazen-Zeiten im Zen-Dojo Münster sind:
Dienstags von 20:00 bis 21:15
Donnerstags von 09:30 bis 10:30
Freitags von 17:00 bis 19:00
Sonntags von 11:00 bis 12:15
Anfragen zu einer kurzen Einweisung in die Übung oder einem Einführungskurs bitte an Michael Schulmann (Kontaktdaten s. u.).
Achtung: Im Moment ist es Corona-bedingt noch notwendig, sich auch für die Teilnahme am Zazen anzumelden. Für die Termine am Di., Fr. und So. bitte bei Michael anmelden (m.schulmann@t-online.de oder 0251-5209206), für den Termin am Do. bei Ariane (zazen-donnerstag@zen-muenster.de).
Derzeit gilt die 2G-Regel in Verbindung mit den vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen (Desinfektion der Hände, Maske tragen, Abstand bei der Meditation, regelmäßiges Stoßlüften etc.). Die Maßnahmen werden je nach Situation aktualisiert.
Weitere Informationen findet ihr auf unserer Homepage.
(Bild Medien)
Medienempfehlung
„Pranayama“ – Atem-Yoga für Einsteiger
Detlef legt in diesem Buch die Grundzüge des Atem-Yoga (Pranayama) und die der buddhistischen Atemlehre (Anapanasati) dar. Ihm kam es beim Verfassen des Textes darauf an, dieses Thema auf das Wesentliche beschränkt zu beschreiben. Viele Menschen suchen nach einfach auszuführenden Übungen, die ihnen jederzeit im Alltag zur Verfügung stehen. Es geht hier um Atemtechniken, die leicht einzustudieren sind, und die dennoch eine heilsame und beruhigende Wirkung auf Körper und Geist ausüben.
Im zweiten Teil des Buches, Anapanasati, findet sich eine Darstellung der Meditation und der Atemtechniken der Buddhisten. Die buddhistische Atmungstechnik unterscheidet sich deutlich von den yogischen Atemmethoden. Körperliche Übungen (Asanas), wie sie im Yoga üblich sind, werden von den Buddhisten nicht geübt. Bei den buddhistischen Atemtechniken geht es vor allem um Verfeinerungen des Atemvorgangs und um stetige Wachsamkeit gegenüber dem Ein- und Ausströmen der Atemluft.
  
(Buch „Pranayama“ – Atem-Yoga für Einsteiger)
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