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Neo-Zen – lebendiger Buddhismus

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Liebe Freunde des Zen,

wir befinden uns immer noch im Bann des Corona-Virus und es sieht nicht so aus, als wenn sich in nächster Zeit daran etwas ändern sollte. Nun haben wir mit der Übung von Zazen eine gute Möglichkeit, den misslichen Umständen dieser Tage zu widerstehen.

Ich denke, für uns alle war es ein großes Glück, der Lehre des Zen zu begegnet zu sein. Wir haben damit, so ging es auch mir, die lange Suche nach einem spirituellen Weg beenden können. Wir haben eine Religion gefunden, die uns Halt im Leben gibt, uns ideologisch nicht befrachtet und die von großer Tiefe ist. Seit mehr als vierzig Jahren folge ich dem Pfad des Zen und lange schien er mir die perfekte Religion zu sein, einzigartig und unübertroffen. An der Wertschätzung des Zen-Weges hat sich auch nichts geändert, aber seit einigen Jahren fallen mir auch Schwachpunkte auf. Diese möchte ich aufzeigen und zur Diskussion stellen. Diesmal also: Lasst uns über Sex reden!

Gassho

Detlef B. Fischer

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Let's talk about Sex!

Liebe und Sexualität sind Themen, mit denen sich alle Religionen auseinandersetzen müssen – ob sie wollen oder nicht. Und manche wollen, aber manche auch nicht. Zu den letztgenannten gehört auch der Buddhismus. Der historische Buddha war der Gründer eines strengen, asketischen Ordens. Seine Mönche hatten der Welt zu entsagen, sich die Köpfe kahl zu scheren, in Lumpen zu gehen und sich ihre Nahrung zu erbetteln. Sex war grundsätzlich verboten, und ein Bruch des Keuschheitsgelübdes führte zum Ausschluss aus dem Orden. Auch Masturbation war nicht erlaubt. Ebenfalls war es den Mönchen verboten, eine Frau zu berühren, ihr Haar zu streicheln oder mit einer Frau im Freien zu sitzen. Der Samenerguss während des Schlafes war erlaubt, im Wachbewusstsein aber verboten.

Mahayana   In Ländern wie Sri Lanka oder Thailand, in denen der Theravada-Buddhismus dominiert, gelten diese strengen Regeln bis auf den heutigen Tag. Einem thailändischen Mönch ist es z. B. nicht erlaubt, von einer Busfahrerin einen Fahrschein entgegen zu nehmen. Nun richtet sich dieser Newsletter ja an Zen-Buddhisten, einer Schule, die dem Mahayana-Buddhismus zugerechnet wird. Aber das Mahayana hat in Puncto Sexualität auch nicht so viel anderes zu bieten, als der frühe Buddhismus. Die chinesischen und japanischen Klöster waren – bereits die ersten christlichen Missionare empörten sich darüber – bekannt für homosexuelle Aktivitäten. Diese wurden auch kaum verborgen, da gleichgeschlechtliche Sexualität in den Klöstern geduldet wurde. In Japan hielt sich lange die Legende, dass die Homosexualität überhaupt erst durch buddhistische Mönche ins Land gekommen sei. Das ist natürlich Unsinn, denn Homosexualität ist in allen Völkern und Ethnien zu einem gewissen Prozentsatz vorhanden – ohne Ausnahme. Aber die Legende zeigt, wofür die buddhistischen Klöster, neben ihren kultischen Aktivitäten, den Japanern noch bekannt waren. Dass es sich bei den homosexuellen Aktivitäten in den Klöstern nicht um „echte“, also angeborene Homosexualität handelt, dürfte klar sein.

Verheiratete Mönche in Japan   Tatsächlich ist es japanischen Mönchen seit 1872 erlaubt zu heiraten. Nun könnte man meinen, dass sich die japanischen Buddhisten den modernen Zeiten anpassen und darum dem sexuellen Begehren seiner Mönche entgegen kommen wollten. So war es aber nicht, denn die Aufhebung des Zölibats ging auf einen Erlass des Kaiserhauses (Edikt 133) zurück und wurde gegen den Willen der buddhistischen Geistlichkeit durchgesetzt. Dieses Edikt war dazu gedacht, den Buddhismus zu schwächen, um den Shintoismus zu stärken.

Lehre   Die Grundlage des Verbots von Sexualität ist in der zweiten der Vier Edlen Wahrheiten Buddhas zu finden, wo vom „Durst“ die Rede ist. Nach buddhistischer Auffassung ist es der Durst (tanha) nach Sinnenlust und geschlechtlicher Vereinigung, der uns im Kreislauf des Samsara festnagelt. Besiegen wir diesen Durst, können wir aus dem samsarischen Mühlrad aussteigen und das Leiden beenden, das mit jeder Existenz verbunden ist. Vollkommen „triebversiegt“ gehen wir ins selige Nirvana ein.

Taoismus   Im Taoismus begegnen wir einer ganz anderen, dem Buddhismus völlig entgegengesetzten Auffassung von Liebe, Lust und Triebleben. Der chinesische Taoist Tung-Hsüan schrieb im 7. Jahrhundert folgendes: „Von all den zehntausend Dingen, die der Himmel geschaffen hat, ist der Mensch das Kostbarste. Von allen Dingen, die den Menschen gedeihen lassen, ist keines mit dem Geschlechtsverkehr zu vergleichen. Er vollzieht sich nach dem Vorbild des Himmels und wird von der Erde geprägt, er regelt Yin und beherrscht Yang. Wer seinen Sinn versteht, kann seine Natur nähren und seine Jahre verlängern; wer seine wahre Bedeutung nicht versteht, fügt sich Schaden zu und stirbt vor seiner Zeit.“ Da staunt der Buddhist, denn das ist schon eine ganz andere Welt. Die Haltung der Taoisten fußt auf der Lehre vom Qi, der Lebensenergie, die allem Lebendigen zu eigen ist. Mit Qi ist aber nicht nur der Sexualtrieb gemeint, sondern auch Kreativität, Wachstum, Atem und Fluidum. Das Qi des Taoismus ist kein böser Trieb, der uns an die Erscheinungswelt fesselt, sondern eine positive Kraft, die unser Dasein nicht nur ermöglicht, sondern auch bereichert und lebenswert macht.

Wer hat Recht?   Dem eventuell entstandenen Eindruck, dass beim Taoismus alles perfekt ist, möchte ich widersprechen, denn viele der uns überlieferten taoistischen Sexuallehren und Praktiken sind auf ihre Art exzentrisch und wenig hilfreich. Allerdings ist die Grundrichtung des Taoismus beim Thema Sexualität eine ganz andere als im Buddhismus, denn die Taoisten stehen der Sexualität positiv gegenüber. Ich trete ja bekanntlich, Stichwort Neo-Zen, für eine Erweiterung des Zen-Buddhismus durch Elemente der taoistischen Lehre ein.  Gerade im Hinblick auf das Thema Sexualität kann uns der Taoismus sehr viel geben, denn eine tiefer gehende und zeitgemäße Auseinandersetzung mit Sexualität ist von buddhistischer Seite bisher nicht geleistet worden. Beliebt ist hingegen das Herunterdimmen des Sex-Verbots auf besser „verträgliche“ Formulierungen. So heißt es im Buddhistischen Bekenntnis der DBU, man solle: „keine unheilsamen sexuellen Handlungen begehen.“

Bin völlig einverstanden: das soll man wirklich nicht!

Detlef B. Fischer
(Bild Corona)
Gedanken zur Corona-Krise

Hier weitere Gedanken von Übenden unserer Zen-Gruppe zur aktuellen Situation durch die Corona-Pandemie:

"Für mich hatte die Corona-Krise einen positiven Aspekt. Wieder Konzentration und Reduzierung auf das Wesentliche. Kein Shopping, Kino, im Café sitzen, Entertainment, Hasten von Termin zu Termin ... Stattdessen relaxt, gelesen, im Garten gesessen, dem Vogelgezwitscher gelauscht, die Natur beobachtet, Zazen praktiziert und mit einem Mal für alles Zeit haben - das will ich mir auch für die Zeit nach der Corona-Krise beibehalten. Mein Blick wurde wieder für viele kleine Kostbarkeiten des Alltags geschärft, die ich vorher nicht wahrgenommen habe. Ich habe an der Nabu-Gartenvögel-Zählung mitgemacht und war erstaunt, welche Arten alle meinen Garten besuchen. Ich hatte sogar einen Zaunkönig, ein Rotkehlchen und ein Distelfink-Pärchen dabei. Ja, die Natur ist schon wunderschön, man muss nur hinsehen."

Eva
"Die Corona-Krise hat die große Verwundbarkeit unserer politischen und wirtschaftlichen äußeren Ordnung offengelegt. Für die einen regiert das Chaos, für die anderen regieren verschworene Mächte im Hintergrund. In jedem Fall erscheint von nun an jederzeit eine schwerwiegende Einschränkung unserer Grundrechte als möglich. Die Erfahrung einer unkontrollierbaren Zerbrechlichkeit unserer äußeren Welt lenkt unseren sinnsuchenden Blick verstärkt auf unsere innere Welt. Im hörenden Schweigen kann uns dort ein Licht aufgehen."

Mathias
Corona-Regeln im Dojo
  • Wöchentliche Zazen-Zeit ist bis auf weiteres nur am Sonntag (11:00 Uhr)
  • Bitte kommt so rechtzeitig (ab 10:45 Uhr ist das Dojo i. d. R. geöffnet), dass wir unter Beachtung der Abstandsregeln einzeln das Dojo betreten können.
  • Im Dojo wählt bitte einen Platz mit jeweils 1,50 m Abstand zum linken und rechten Nachbarn
  • Daher können zurzeit maximal sieben Personen (plus Detlef) am Zazen teilnehmen
  • Auf die Rezitation nach dem Sitzen verzichten wir vorläufig
  • Wir verlassen das Dojo auch einzeln, um das übliche Gedränge im Vorraum zu vermeiden
(Bild Zendo)
Teishos auf YouTube

Wir stellen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen "Teisho"-Videos online, in denen Detlef in einem kurzen Vortrag über Inhalte und Praxis des Zen spricht - ganz im Sinne seines Anliegens, eine lebendige, für unsere heutige Lebenswirklichkeit relevante buddhistische Praxis zu formulieren.

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